Ein neues Schaf
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"Mama, Papa - Baby!!!", so der juchzende Eineinhalbjährige mit seinem Schnulli im Mund am Weidezaun. Dieser kam aus dem Frohlocken und kreischender Wiederholung immer derselben drei Worte gar nicht mehr heraus, als Ralf ihn über das Gatter hob und auf dem Arm mitten ins Getümmel der drei Schafe auf der Böckchenweide trug.
Nun, dass zwei Hammel - trotz nach Mendel bestimmt möglicher Farbgestaltung - definitiv kein Lamm produzieren, kann dem Knaben in ein paar Jahren jemand anderes erklären. Ich segle nicht mehr in pädagogischen Gewässern, kümmere mich um ganz andere bemerkenswerte Geschöpfe auf dieser Erde und denke, mit dem Kauf eines Lammes nimmt da sogar so langsam Professionalität Einzug. Und so heißt es heute (Hey, gestern war Dienstag!) mit nur leichter Verspätung: Ein herzliches Willkommen, kleiner
Elton van Oyten!
Dieser Dienstag, der 30. Mai 2023, war wie angekündigt ganz schön aufregend. Und zwar für alle zwei- wie vierbeinigen Beteiligten. Da hat die "unwissende Quereinsteigerin" doch einfach mal beschlossen, einen Ostfriesenbock zu kaufen, um die Milchschaflinie des Betriebs mit einem total vermenschlichten Plan aufrecht zu erhalten. Ein verhätschelter Bock aus der Gattung "Verwöhnte Stubenböckchen", was das denn wohl werden sollte. Die Diskussionen wurden von mir im Keim erstickt: Es wäre schön, wenn er uns (euch!) nützte, ansonsten ist er einfach nur schön! Darauf konnte nicht mal ein bockiger Bauer etwas erwidern, wollte es sich sogar nicht nehmen lassen, den Bock mit abzuholen. Selbstverständlich gestattete ich dies nur nach dem Versprechen, auf sämtliche Kloochschieterei zu verzichten... Und dann war da noch die spätmorgendliche (als ich schon mit dem Melken fertig war) Eingebung meines Mannes, dass man vielleicht noch einen Zaun an der Stelle ziehen müsste, an der unsere handzahmen Böcke keinen bräuchten... Unter Zeitdruck (ich halte Verabredungen nunmal gern ein...) ging's nach Meck-Pomm. Ui, ich hatte nicht erwartet, dass es in Norddeutschland noch abgelegenere Gegenden als die unsrige gibt. Und ich fahre gar nicht gern durch unbekannte Kurven...
Okay, okay, so wird's zu lang...
Wir kamen an einem typischen ostdeutschen Selbstversorgergrundstück an und es begrüßte uns ein junger Mann - der Hüter einer kleinen Liebhaberzucht mit fünf Muttertieren und acht Lämmern. Das größte und älteste Lamm begann, seine Mutter zu besteigen und musste "weg". Einzige Verkaufsbedingung: Kein Schlachter - was mir schon mal äußerst sympathisch war. Die ganze Herde sah sehr gepflegt aus, das Lamm gesund und gut - dem Handschlag und dem Tragen des jungen Bocklamms zur großen Hundebox stand nichts im Wege.
Während der Fahrt nach Hause dachten wir oft, dass der Junge an seiner Stimme noch arbeiten müsste, aber wenigstens kauerte er nicht verängstigt zitternd in seiner Box. Immerhin war er gerade von seiner Herde - und seiner Mami - getrennt worden.
Ich war nach eineinhalbstündiger Rückfahrt durchaus dankbar, für ein >25-Kilo-Paket zwei Träger mit an Bord zu haben...
Ein wirklich aufgewecktes Jüngelchen kroch ziemlich entspannt aus seinem Käfig und checkte die Lage...
So auch Nücki, der als erster wie wild auf den Neuankömmling zustürmte. Wir Menschen bekamen es schon mit der Angst zu tun, doch der Galopp des weißen Hammels endete abrupt im intensiven Beschnüffeln und sofortiger Adoption, was bestimmt noch Stoff für weitere Absätze oder Geschichten bietet...
Böckchen aka Zerberus aka der braune Hammel beschnupperte den kleinen Bock und begann sogleich, ihn vor sich herzuschieben. 'Schieben' ist dabei der richtige Ausdruck, es handelte sich nicht um kräftige Stöße. Dennoch bekam der Kleine Panik und sprang über den Zaun zur benachbarten Bockweide. Böcke! 15 Böcke! 15 ausgewachsene und geschlechtsreife Böcke! Für die Bindung zu uns und seiner neuen Herde gar nicht schlecht, dass es Ralf gelang, den kleinen Elton einzufangen und zurück auf seine neue Heimatweide zu tragen...
Als nächstes ließen wir die Hunde auf die Weide. Als diese sofort anfingen zu rennen, weil sie irgendetwas Neues witterten, dachten wir schon, wir wären zu naiv. Aber kein Problem: Der darf's sein!
Nicht bedacht hatten wir, dass auch unter den alteingesessenen Schafen etwas passieren könnte. Böckchen schob den Kleinen weiter vor sich her und immer, wenn Nücki sich dazwischen stellte, wurde dieser mit voller Kraft gerammt. Das hörte nicht einmal abends am Stall auf: Bei all dem bestehenden Gezänkel flüchtete Elton in den kleinen Stall. Nücki stellte sich so vor die Tür, dass der Lütte nicht mehr raus kam und er selbst heftige - so noch nicht gekannte - Stöße von Böckchen ertrug.
Irgendwann legten sich die Schafe vor Anstrengung und Aufregung nieder. Dem Kleinen wurde gestattet, mit an den Lieblingsplatz unter die alte Eiche zu kommen. Eigentlich geschah das ganz instinktiv: Klein Elton brauchte eine Herde und er gehörte irgendwie dazu, als wäre es nie anders gewesen. Und wie soll es anders sein, als dass der Hütehund über die Herde wacht?
Nun denn, am Ende war es wie gesagt ein sehr anstrengender Tag. Elton schlief bereits am späten Nachmittag tief und fest an der Seite seiner "Adoptivmami" Nücki und wir studierten bis in die Nacht das Sozialverhalten der Schafe. Spannend! Und es hört ganz bestimmt nicht mit unserem Mitleid für Böckchen, der plötzlich ein bisschen das fünfte Rad am Wagen war, und dessen Extrakuscheleinheiten auf!
P.S.:
Schrille Brille, extravagante Klamotten: ELTON
So soll es denn sein, lieber @peppermint24! Weshalb das adelige "van Oyten" des Lämmchens Namen ziert, sei durch den (Rasse)-aufmerksamen Leser selbst zu ermitteln... ;-)
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