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Offener Brief ins Auenland

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chriddi
73
8 months agoSteemit6 min read

Hochverehrte Damen,

im Namen der schönsten, wohlgenährtesten, irgendwie einfach besten Böcke des Dorfes, möchte ich - Nücki, genannt "The Brain" - Euch wunderschöne Auen passend zum internationalen Weltfrauentag herzlich willkommen heißen!
Genau drei Wochen seid Ihr nun in der Obhut unseres Leitschafes und des Leitbocks (die Menschen hören gern: "Schäferin und Schäfer") und ich kann Euch versichern, dass es Euch sehr gut gehen wird! Also eigentlich seid Ihr alle bereits jetzt auf dem allerbesten Wege, was Ihr - meiner Beobachtung vom Zaun gegenüber nach - so langsam zu schätzen wisst: Ihr dürft leben und jemand hat Euch lieb...

Irgendwann war uns Böcken durchaus klar, dass der im Winter mit viel Enthusiasmus errichtete Unterstand (eine einfache Holzkonstruktion mit Schleppdach...) auf der großen neuen Weide nicht für uns drei Bagaluten gedacht ist. Obwohl wir bei fast jedem Arbeitsschritt dabei waren. Oder vielleicht gerade deshalb: Als aufmerksames Tier nimmt man ja doch Gesprächsfetzen auf und zieht so seine Schlüsse. Die Rede war stets von acht jungen Auen plus, minus fünf oder so, die einziehen sollten. Warum und weshalb kann ich nur vermuten. Fakt ist, dass die Laune unseres Leitschafs seit ein paar Monaten in Bezug auf "Schafe auf dem Nachbarshof" nicht die beste war, sogar Tränen und Gerüchte von verstorbenen Artgenossen wahrgenommen werden konnten. Egal. Niemand kann alle retten und wir begannen, uns so sehr auf Euch zu freuen! Es fehlte doch nur noch die Dachpappe...

Das Gebäude (also die einfache Holzkonstruktion mit Schleppdach...), in das Ihr einziehen solltet, war im Prinzip direkt nach der Schneeschmelze fertig, ansehnlich und bereit für die langfristige Aufnahme von Einwohnerinnen...


...wobei der Innenausbau bzw. der Stand der Aufräumarbeiten der obersten Bauaufsichtsbehörde noch ein Dorn im Auge war:

Fürs Aufräumen wäre laut Aussage des Leitbocks maximal ein halber Tag nötig gewesen, dennoch holte die Schäferin Euch nicht ab. Schlimmer noch: Sie fuhr für ein paar Tage in den Urlaub, kümmerte sich überhaupt nicht um uns Schafe! Sie war ein wenig sauer, wollte abschalten. Das hatte auch etwas mit Euch, vielmehr mit Euren Vorbesitzern, zu tun. Ich konnte die Gründe nachvollziehen. Aber ein Willkommensbrief soll doch keine Abrechnung mit der Vergangenheit werden. Nein, wir wollen uns alle freuen! Auch, wenn einige von Euch trächtig sind (Elton war's nicht!), zwei humpeln, eine... naja, Ihr wäret eben überhaupt kein gesunder Bestand. Und - mit Verlaub, werte Damen - Ihr riecht ein wenig nach Pipi...

Da habt Ihr wohl viel zu lange viel zu eng beieinander ohne Ausgang im Stall gestanden und viel zu oft in Euren eigenen Exkrementen gelegen. Keine Sorge, der Geruch ist bereits verflogen, Ihr duftet nun lieblichst nach Schaf! Und Ihr müsst Euch auch keine Gedanken darüber machen, jemals wieder auf so schmerzhaft verwachsenen Klauen stehen zu müssen. Unsere - ja, jetzt auch Eure - Menschen gucken regelmäßig auf unsere Füße. Nervt zwar und man denkt jedesmal, man würde gleich sterben, obwohl es sich um nichts anderes als schmerzfreies Fußnägel schneiden handelt. Aber was tut man nicht alles für unbeschädigte, kräftige, gesunde Füße? Das erste Mal habt Ihr doch schon überstanden - in vier Wochen dauert es nicht mehr so lange und in acht Wochen wird man Euch fragen, wie Euer Pediküre-Studio heißt. Wichtiger aber: Ihr werdet alle schmerzfrei rennen können!

All wir Böcke - fünf an der Zahl... ;-) - waren bei Eurer Abholung nicht dabei. In späteren Erzählungen war die Rede von Chaos. Davon, dass die Schäferin nicht alle versprochenen Tiere gefunden hätte, davon, dass wimmernde Lämmer halt mit eingepfercht wurden und davon, dass weder auf Euter noch Klauen geguckt wurde, Hauptsache raus.
Ach, die Vergangenheit ist doch auch richtig egal, denn dann kamt Ihr! Am Samstag. Samstag, den 17. Februar 2024. Durch den Wald. Zu elft...

Fünf (schwarz)bunte Damen, sechs weiße, eine schöner als die andere! So jedenfalls die Meinung von uns Böcken! Sieben von Euch sind reinrassige Ostfriesen, was aber unter den gegebenen Umständen nicht einmal Elton interessiert.
Plötzlich ging alles so schnell, doch wir waren einfach nur glücklich. Ihr seid so schön (auf alle Fälle von Innen heraus...) und selbst ein Bockherz ging auf, als es sah, wie sehr Ihr Euch über ein paar winzige Halmspitzen frischen Grases freuen konntet.
Ihr mit Fressen, wir mit Bezirzen, waren alle Schafe abgelenkt und bemerkten gar nicht, dass die neue Damenherberge noch nicht optimal mit weichen Heubetten ausgestattet war...

Und dann war es so niedlich, wie Ihr Euch in den (halb fertig eingestreuten) Stall Unterstand legtet, als hätte es nie etwas anderes gegeben. Auch den Salzleckstein entdecktet Ihr sofort. Hey, unsere Menschen waren ganz glücklich: Alles richtig gemacht! Okay, machen sie meistens. Muss man ihnen aber nicht vor der Extraportion Leckerlis auf die Nase binden...

Nun, werte Damen, ist es durchaus so, dass Böckchen und ich überlegen, wie wir am besten mit Euch zusammen sein könnten. Aber was machen wir mit Elton? Der Typ ist irgendwie nur noch ein Hormon. Mann, geht der pubertäre Kerl uns ausgewachsenen Hammeln auf die Nerven! Elton stinkt! Elton stinkt nach P...! Der Kerl testet tatsächlich über eine Geschmacksprobe unseres Urins, ob wir "begattungsreif" seien. Wie dumm kann man sein? Ist doch klar, dass einem die P... ins Gesicht spritzt, wenn einem die Hormone das Gehirn wegfressen!

Irgendwie liegen momentan auch ganz andere Prioritäten an der Tagesordnung. Sagt die Schäferin. Sagt nicht Elton. Größtenteils bin ich einverstanden...

Ihr sollt zum Beispiel alle einen Namen bekommen. Das sei wohl nicht so ganz einfach (verstehe ich gar nicht: Schätzchen, Schnucki, Herzblatt...). Vielleicht möchte unser Leitschaf dazu ja selbst noch einmal etwas schreiben, denn dies ist in erster Linie die Leitdtragende. Die kümmert sich auch um die guten Beziehungen zum Tierarzt, weshalb Ihr heute alle nur eine Spritze bekommen habt (seid froh, den Dreck von Schluckimpfung wollt Ihr nicht ertragen!). Ihr ward so zuckersüß dabei! So viel Urvertrauen - was für eine Herde!

Ach, lasst es Euch doch erst einmal gut gehen! Wir sehen uns garantiert. Und wenn Ihr uns wirklich braucht, reicht ein Pfiff - okay, wir hören auch auf "Mäh!" - und wir sind zur Stelle! Ja, wir rennen für Euch jeden Feind einfach um...


Herzliche, schwer schockverliebte Grüße,

Euer Nücki - mit den Rabauken Böckchen und Elton



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DU
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08.03.2024


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